Pharmazeutische Zusammensetzung zur Behandlung von Virusinfektionen und / oder Tumorerkrankungen durch Inhibition der Proteinfaltung und des Proteinabbaus.
Beschreibung
[0001] Die Erfindung betrifft eine pharmazeutische Zusammensetzung, die als wirksame Komponenten mindestens einen Proteasom-Inhibitor und einen Inhibitor von Proteinfaltungsenzymen enthält. Diese Mittel sind zur Behandlung von akuten und chronischen Infektionen mit für Mensch und Tier pathogenen Viren geeignet. Hierzu zählen insbesondere Erreger von Infektionserkrankungen wie AIDS, Hepatitis, hämorrhagische Fieber, SARS, Pocken, Masern, Polio oder Grippe. Gegenstand der Erfindung sind Mittel, die zum Einen als Wirkstoffe Inhibitoren der Proteinfaltung enthalten. Hierzu zählen Inhibitoren von zellulären Faltungsenzymen (den enzymatischen Chaperonen), wie auch Substanzen, welche die Faltung von Proteinen durch chemische Chaperone stören. Zum Anderen enthalten diese Mittel Komponenten, welche das Ubiquitin-Proteasom-System stören, insbesondere Mittel, welche das 26S Proteasom inhibieren. In Kombination dieser therapeutischen Mittel soll getrennt voneinander, oder gleichzeitig, die Effizienz der Proteinbiosynthese und der Abbau von falsch gefalteten Proteinen gestört werden. In der Summe dieser Wirkungen sollen gezielt entartete Tumorzellen und/oder akut und/oder chronisch Virus- infizierte Zellen in ihrer Vitalität beeinträchtigt, und somit in den programmierten Zelltod (Apoptose) dirigiert werden. Anwendungsgebiete sind die Behandlung von Virusinfektionen und / oder Tumorerkrankungen.
Stand der Technik
[0002] Inhibitoren von Proteinfaltungsenzymen sind aus der Druckschrift WO 2005/063281 A2 bekannt.
[0003] Proteasom-Inhibitoren sind sowohl zur Behandlung von Tumorerkrankungen (z.B. US 6,083,903) als auch zur Behandlung von Virus-Infektionen beschrieben worden (WO 02/30455).
[0004] Eine Kombination aus Inhibitoren von Proteinfaltungsenzymen und Proteasom- Inhibitoren ist bisher nicht beschrieben worden. Lediglich die Kombination nicht Proteasom-
selektiver Protease-Inhibitoren mit Inhibitoren von Proteinfaltungsenzymen wurde in der Druckschrift WO 2005/063281 A2 erwähnt.
Aufgabe der Erfindung
[0005] Der Erfindung lag die Aufgabe zugrunde, neue pharmazeutische Zusammensetzungen zur Behandlung von Virusinfektionen und / oder Tumorerkrankungen bereitzustellen.
Lösung der Aufgabe
[0006] Die Aufgabe wurde gemäß den Merkmalen der Patentansprüche gelöst. Die erfindungsgemäße Kombination aus Inhibitoren von Proteinfaltungsenzymen und Proteasom- Inhibitoren ist dem Stand der Technik überlegen. Erfindungsgemäß wurde eine pharmazeutische Zusammensetzung, die als wirksame Komponenten mindestens einen Inhibitor des Ubiquitin-Proteasom-Systems und einen Inhibitor von Proteinfaltungsenzymen oder eine Methode zur Beeinflussung der Proteinfaltung enthält, bereitgestellt.
[0007] Bei dem Inhibitor von Proteinfaltungsenzymen handelt es sich vorzugsweise um mindestens einen Inhibitor zellulärer Chaperone oder um mindestens eine chemische Substanz, welche die Proteinfaltung direkt beeinfiusst (chemisches Anti-Chaperon).
[0008] Als Methode zur Beeinflussung der Proteinfaltung dient vorzugsweise die lokale Hyperthemie.
[0009] Eine weitere bevorzugte Ausführungsform der Erfindung besteht darin, dass als Inhibitoren zellulärer Chaperone oder von chemischen Anti-Chaperonen Substanzen eingesetzt werden, welche
a) die Faltung und proteolytische Reifung von Virusproteinen hemmen, regulieren oder anderweitig beeinflussen und dadurch die Freisetzung und die Replikation von Viren hemmen, speziell von Erregern von Infektionserkrankungen wie AIDS, Hepatitis, hämorrhagischem Fieber, SARS, Pocken, Masern, Polio, Herpesvirusinfektionen oder Grippe, oder
b) die Vermehrung von entarten Zellen, speziell Tumorzellen, stören, indem diese durch Akkumulation von falsch gefalteten Proteinen in den programmierten Zelltod getrieben werden.
[0010] Die erfindungsgemäße pharmazeutische Zusammensetzung ist dadurch gekennzeichnet, dass als Inhibitoren zellulärer Chaperone oder von chemischen Anti-Chaperonen Substanzen eingesetzt werden, die speziell die enzymatischen Aktivitäten von molekularen Faltungsenzymen der Wirtszellen beeinflussen. Die Zellen höherer Eukaryonten nehmen diese Inhibitoren oder Substanzen auf und blockieren nach Zellaufnahme die Proteinfaltung von Virusstrukturpoteinen und von Proteinen aus Tumorzellen. Die Inhibitoren oder Substanzen können in verschiedenen Formen in vivo oral, intravenös, intramuskulär, subkutan oder in verkapselter Form mit oder ohne Zell-Spezifität-tragenden Veränderungen verabreicht werden, aufgrund der Anwendung eines bestimmten Applikations- und/oder Dosis-Regimes eine geringe Zytotoxizität aufweisen, keine oder unbedeutende Nebenwirkungen auslösen, eine relative hohe metabolische Halbwertszeit und eine relative geringe Clearence-Rate im Organismus aufweisen.
[0011] Die erfindungsgemäße pharmazeutische Zusammensetzung ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass als Inhibitoren zellulärer Chaperone oder von chemischen Anti- Chaperonen Substanzen eingesetzt werden, die a) in natürlicher Form aus Mikroorganismen oder anderen natürlichen Quellen isoliert werden oder b) durch chemische Modifikationen aus natürlichen Substanzen hervorgehen oder c) total-synthetisch hergestellt werden oder d) durch gentherapeutische Verfahren in vivo synthetisiert werden.
[0012] Die Inhibitoren zellulärer Chaperone oder die chemischen Anti-Chaperone stören die hoch organisierten Prozesse der Assemblierung und der proteolytischen Reifung von Virusstrukturproteinen und unterbinden dadurch die Freisetzung und die Produktion von infektiösen Nachkommenviren. Außerdem regulieren, stören oder blockieren diese Substanzen die Faltung von viralen Proteinen und/oder von Tumor-spezifischen Proteinen dadurch, dass die späten Prozesse der Virusreplikation wie Assemblierung, Knospung, proteolytische Reifung und Virusfreisetzung, gestört werden. Die proteolytische Prozessierung von Vorläuferproteinen der viralen Polyproteine wird dadurch gestört. Außerdem wird die Aktivität von viralen Proteasen blockiert.
[0013] Eine weitere bevorzugte Ausführungsform der Erfindung besteht darin, dass als Inhibitoren zellulärer Chaperone oder von chemischen Anti-Chaperonen Substanzen eingesetzt werden, welche die Aktivitäten von zellulären Proteasen und/oder von Enzymen, wie zum Beispiel Ligasen, Kinasen, Hydro lasen, Glykosylierungsenzymen, Phosphatasen, DNAsen, RNAsen, Helikasen und Transferasen stören, die an der Virusreifung beteiligt sind. Die erfindungsgemäßen Inhibitoren zellulärer Chaperone bzw. die chemischen Anti-Chaperone besitzen ein breites Wirkspektrum und können daher als neuartige Breitbandvirostatika zur Vorbeugung und/oder zur Therapie von unterschiedlichen Virusinfektionen eingesetzt werden.
[0014] Die pharmazeutische Zusammensetzung ist dadurch gekennzeichnet, dass als Inhibitoren zellulärer Chaperone oder von chemischen Anti-Chaperonen Substanzen eingesetzt werden, die zelluläre Chaperone wie Hitzeschockproteine (heat shock proteins (hsp)) blockieren oder hemmen, insbesondere die Aktivitäten der Hitzeschockproteine Hsp27, Hsp30, Hsp40, Hsp60, Hsp70, Hsp72, Hsp73, Hsp90, HsplO4 und Hsc70.
[0015] Als Inhibitoren zellulärer Chaperone können Substanzen eingesetzt werden, die folgenden Substanzklassen und deren Derivaten angehören: Geldanamycin (inhibiert Hsp90), Radicicol (Tyrosinkinase-Inhibitor; inhibiert Hsp90), Deoxyspergualin (inhibiert an Hsc70 und Hsp90), 4-PBA (4-Phenylbutyrat; Downregulation der Protein- und mRNA-Expression der Hsc70), Herbimycin A (Tyrosinkinase-Inhibitor mit Hsp72/73 Induktion), Epolactaene (Inhibitor der Hsp60), Scythe und Reaper (inhibieren Hsp70), Artemisinin (Inhibitor der Hsp90), CCT0180159 (als Pyrazole-Inhibitor von Hsp90) und SNX-2112 (Hsp90 Inhibitor), Radanamycin (Macrolidchimera von Radicicol und Geldanamycin), Novobiocin (Hsp90- Inhibitor), Quercetin (Inhibitor der Hsp70-Expression).
[0016] Als chemische Anti-Chaperone können Substanzen eingesetzt werden, welche die Proteinkonformation und die Faltung von viralen und/ oder Tumor-spezifischen Proteinen regulieren, stören oder blockieren. Dazu zählen z.B. Substanzen wie Glycerol, Trimethylamine, Betain, Trehalose oder deuteriertes Wasser (D2O). Weiterhin können Substanzen eingesetzt werden, welche für die Behandlung, Therapie und Hemmung von Infektionen mit unterschiedlichen humanpathogenen oder auch tierpathogenen Viren geeignet sind oder Substanzen, die für die Behandlung, Therapie und Hemmung von Infektionen mit Erregern von chronischen Infektionserkrankungen wie AIDS (HIV-I und HIV-2), von Hepatitis (HCV und HBV), von dem Erreger des "Severe Acute Respiratory Syndroms"
(SARS), dem SARS-CoV (Coronavirus), von Pockenviren, von Erregern des viralen hämorrhagischen Fiebers (VHF) wie den Ebola- Viren als Vertreter der Familie der Filoviridae; von Grippe-Erregern wie dem Influenza- A-Virus, geeignet sind. Dazu zählen z.B. Cyclosporin A und / oder Tacrolimus.
[0017] Die erfindungsgemäße pharmazeutische Zusammensetzung ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei den Hemmern des UPS um mindestens eine Substanz handelt, die a) speziell in Form von Proteasom-Inhibitoren die enzymatischen Aktivitäten des kompletten 26S Proteasom-Komplexes und der freien, nicht mit regulatorischen
Untereinheiten assemblierten 2OS katalytisch aktiven Proteasom-Struktur beeinflusst oder b) speziell die Wirkung von Ubiquitin-Ligasen hemmt oder c) speziell die Wirkung von Ubiquitin-Hydrolasen hemmt oder d) speziell die Wirkung von Ubiquitin-aktivierenden Enzymen hemmt oder e) speziell die Mono-ubiquitinylierung von Proteinen hemmt oder f) speziell die Poly-ubiquitinylierung von Proteine hemmt
[0018] Die Proteasom-Inhibitoren werden von höheren Eukaryoten aufgenommen und treten nach Zellaufnahme mit den katalytischen Untereinheiten des Proteasoms in Wechselwirkung und blockieren dabei alle oder einzelne der proteolytischen Aktivitäten des Proteasoms - die Trypsin-, die Chymotrypsin- und/oder die Postglutamyl-Peptid hydrolysierenden Aktivitäten - innerhalb des 26S oder auch des 2OS Proteasom-Komplexes irreversibel oder reversibel.
[0019] Als Proteasom-Inhibitoren werden Substanzen eingesetzt, die a) in natürlicher Form aus Mikroorganismen oder anderen natürlichen Quellen isoliert werden; oder b) durch chemische Modifikationen aus natürlichen Substanzen hervorgehen; oder c) total-synthetisch hergestellt werden; oder d) durch gentherapeutische Verfahren in vivo synthetisiert werden; oder e) durch gentechnische Verfahren in vitro oder f) in Mikroorganismen hergestellt werden.
[0020] Bei den Proteasom-Inhibitoren handelt es sich um Verbindungen, die folgenden Substanzklassen angehören: a) natürlich vorkommende Proteasom-Inhibitoren:
- Peptid-Derivate, welche C-terminal Epoxyketon-Strukturen enthalten; oder - ß-Lacton-Derivate; oder
- Aclacinomycin A (auch bezeichnet als Aclarubicin); oder
- Lactacystin und dessen chemische modifizierte Varianten, wie der Zellmembran- penetrierenden Variante "Clasto lactacystein ß-Lacton"
b) synthetisch hergestellte Proteasom-Inhibitoren: modifizierte Peptidaldehyde wie N-carbobenzoxy-L-leucinyl-L-leucinyl-L-leucinal (auch bezeichnet als MG 132 oder zLLL), dessen Borsäure-Derivat MG232; N- Carbobenzoxy-Leu-Leu-Nva-H (bezeichnet als MGl 15; N-AcetylL-Leuzinyl-L- Leuzinyl-L-Norleuzinal (bezeichnet als LLnL), N-Carbobenzoxy-Ile-Glu(OBut)-Ala- Leu-H (auch bezeichnet als PSI);
c) Peptide, welche C-terminal eine α, ß -Epoxyketon-Struktur tragen, ferner Vinylsulfone wie Carbobenzoxy-L-Leucinyl-L-Leucinyl-L-Leucin-vinyl-sulfon oder 4-Hydroxy-5- iodo-3-nitrophenylactetyl-L-Leucinyl-L-Leucinyl-L-Leucin-vinyl-sulfon (NLVS);
d) Glyoxal- oder Borsäure-Reste wie Pyrazyl-CONH(CHPhe)CONH(CHisobutyl)B(OH)2) sowie Dipeptidyl-Borsäure-Derivate oder
e) Pinacol-Ester - wie Benzyloxycarbonyl(Cbz)-Leu-Leu-boroLeu-Pinacol-Ester.
[0021] Besonders geeignete Proteasom-Inhibitoren sind die Epoxyketone Epoxomicin (Epoxomycin, Molekülformel: C28H86N4O7) und/oder Eponemycin (Eponemicin, Molekülformel: C20H36N2O5) oder Proteasom-Inhibitoren aus der PS-Serie die Verbindungen: a) PS-519 als ß-Lacton- sowie als Lactacystin-Derivat die Verbindung IR-[IS, 4R, 5S]]- l-(l-Hydroxy-2-methylpropyl)-4-propyl-6-oxa-2-azabicyclo[3.2.0]heptane-3,7-dione -
Molekülformel C12H19NO4- und/oder b) PS-314 als Peptidyl-Borsäure-Derivat die Verbindung N-Pyrazinecarbonyl-L- Phenylalanin-L-Leuzin-Borsäure - Molekülformel C19H25BN4O4 - und/oder
c) PS-273 (Morpholin-CONH-(CH-Naphthyl)-CONH-(CH-isobutyl)-B(OH)2) und dessen Enantiomer PS-293 und/oder d) die Verbindung PS-296 (8-Quinolyl-sulfonyl-CONH-(CH-Napthyl)-CONH(-CH- isobutyl)-B(OH)2) und/oder e) PS-303 (NH2(CH-Naphthyl)-CONH-(CH-isobutyl)-B(OH)2) und/oder f) PS-321 als (Morpholin-CONH-(CH-Napthyl)-CONH-(CH-Phenylalanin)-B(OH)2); - und/oder g) PS-334 (CH3-NH-(CH-Naphthyl-CONH-(CH-Isobutyl)-B(OH)2) und/oder h) die Verbindung PS-325 (2-Quinol-CONH-(CH-Aomo-Phenylalanin)-CONH-(CH- isobutyl)-B(OH)2) und/oder i) PS-352 (Phenyalanin-CH2-CH2-CONH-(CH-Phenylalanin)-CONH-(CH-isobutyl)l-
B(OH)2) und/oder j) PS-383 (Pyridyl-CONH-(CH/?F-Phenylalanin)-CONH-(CH-isobutyl)-B(OH)2) eingesetzt werden.
[0022] Die beschriebenen pharmazeutischen Zusammensetzungen eignen sich als Arzneimittel oder zur Herstellung von Mitteln zur Behandlung von Virusinfektionen und / oder Tumorerkrankungen. Eine Kombination mit anderen Mitteln, die zur Behandlung von Virusinfektionen und / oder Tumorerkrankungen ist ebenfalls möglich.
[0023] Die erfindungsgemäße Verwendung dieser Mittel erfolgt in Form von
Inhalaten
Depotformen
- Pflaster - in mikroelektronischen Systemen („intelligente Pille")
[0024] Eine Verwendung in der Onkologie und / oder Onkologie und Virologie zur Behandlung von
- Glioblastom (Maligne Hirntumore) - - Mamma-CA (CA = Carcinom)
- - Kopf-, HaIs-CA
- - Plattenepithel-CA
- - Ovarial-CA
- Bronchial-CA (kleinzellig, großzellig) - - Schilddrüsen-CA
- Lungen-CA
- - Kolon-CA
- Pankreas-CA
- - Leukemie (AML, ALL, CML, CLL) - akute myeloische, chronische acute lymphatische, chronische
- Lymphom (Non-Hodgkin)
- Zervix-Ca
- Neuroblastom - - Haut-CA (Melanom)
- - Prostata-CA
- - Blasen-CA
- Sarkome (Knochen u. Weichteile)
- Zwerchfell-CA - - Gastrointestinale-CA (z. B. Magen, Oesophagus)
- Hoden-Ca
- Metastasen (z. B. Knochenmark)
- Lymphoma- Viren
- Herpes Simplex - - Zytomegalie
- Varizellen
- Varicella Zoster
- Masern
- Lassa-Fieber - - Aids
- Mumps (- Meningitis, - Orchitis)
- Enteritis ; Grippe (alle Formen)
- Enzephalitis
- - Hepatitis (A, B, C, D, E, G) - - Röteln
- Coxsackie B
- Polio (-Myelitis)
- Enzephalomyelitis
- Pankreatitits - - Pneumonie
- Myokarditis
- Tropenkrankheiten (Virale)
- alle doppel- und einsträngigen DNS und RNS humanpathogenen Viren ist möglich.
[0025] Überraschenderweise hat sich herausgestellt, dass durch die Störung der Mechanismen der Proteinfaltung verstärkt fehlgefaltete Proteine gebildet werden. Diese Fehlprodukte der Proteinbiosynthese werden normalerweise durch das Ubiquitin-Proteasom-System (UPS) abgebaut und somit aus dem Zellstoffwechsel entfernt. Bei Inhibition des UPS, zum Beispiel durch Proteasom-Inhibitoren und/oder durch Inhibitoren von Ubiquitin-Ligasen, werden diese, in der Regel poly-ubiquitinylierten und falsch gefalteten Fehlprodukte der Proteinbiosynthese in der Zelle akkumulieren und dadurch vielfältige Störungen des Zellstoffwechsel auslösen, welche in der Summe der Wirkungen die betreffende Zelle bevorzugt in den programmierten Zelltod (Apoptose) treiben wird. Da sowohl in Virus- infizierten, als auch in sich rasch teilenden Tumorzellen eine besonders hohe Rate der Proteinbiosynthese vorliegt, werden insbesondere solche Zellen verstärkt auf die Wirkung von Inhibitoren des UPS und der Proteinfaltung reagieren, während normale und gesunde Zellen von diesen Inhibitoren weitestgehend unbeeinfiusst bleiben. Darauf beruht der grundsätzliche Wirkmechanismus des erfindungsgemäß vorgeschlagenen neuen Therapieverfahrens.
[0026] In einer besonderen Ausführungsform der Erfindung wird die Wirkung dieser Inhibitoren zur Behandlung von Plasmazytomzellen von Patienten mit Multiplen Myelom benutzt. Diese B-Zelltumore zeichnen sich durch eine extrem hohe Synthese-Rate an Immunglobulinen aus. Bekannter Maßen sind diese Plasmazytomzellen besonders sensitiv gegenüber der Behandlung mit Proteasom-Inhibitoren. Daher werden Proteasom-Inhibitoren, insbesondere in Form von Borsäure-Peptiden (Handelsname Velcade) erfolgreich für die Behandlung von Multiplen Myelom eingesetzt. Allerdings muss bei der Behandlung mit Proteasom-Inhibitoren ein sehr enges therapeutisches Fenster berücksichtigt werden, da die Grenze zwischen der therapeutischen Dosis und der tolerierbaren toxischen Dosis sehr eng ist. Durch die Behandlung mit Inhibitoren der Proteinfaltung werden solche Plasmazytomzellen für die Wirkung auf Proteasom-Inhibitoren sensibilisiert. Durch die Kombination von Proteasom-Inhibitoren und Inhibitoren der Proteinfaltung wird die Wirkung beider Wirkstoffe in synergistischer Weise verstärkt. Gleichzeitig können beide Medikamente in sub-toxischen Dosen mit höherer Wirksamkeit eingesetzt werden, was in der Summe die Erfolgsaussichten der Therapie wesentlich erhöht.
[0027] Die erfindungsgemäße Lösung bietet gegenüber dem Stand der Technik folgende Vorteile:
- Vermeidung von Resistenzen - Heilung bestimmter Krankheiten
- Höhere Responderrate
- Behandlung mehrerer Tumorformen (Leichte, mittlere, schwere Fälle)
[0028] Eine weitere bevorzugte Ausführungsform der Erfindung betrifft die anti- virale Wirkung in der Kombination beider Wirkstoffe. Es ist bekannt, dass Proteasom-Inhibitoren die
Replikation von humanen Immundefiziensviren (HIV) und anderen Viren stört, indem es die
Akkumulation von falsch gefalteten Gag-Proteinen induziert, welche mit den geordneten
Prozessen der Assemblierung und Freisetzung von Nachkommenviren interferiert. Diese therapeutische Wirkung von Proteasom-Inhibitoren wird wesentlich verstärkt, wenn die virus infizierte Zelle gleichzeitig mit Inhibitoren der Proteinfaltung behandelt wird. Dadurch erhöht sich die Zahl an falsch gefalteten Strukturproteinen des Virus, welche in einem trans- negativen Mechanismus, sozusagen in einer Prion-ähnlichen Wirkungsweise, verstärkt die
Assemblierung von Virusproteinen und dadurch die Formierung von Nachkommenviren stören wird. Diese Ausführungsform der Erfindung ist für alle Virusinfektionen, bei denen ein geordneter Zusammenbau von neu synthetisierten Virusstrukturporteinen stattfindet, allgemein gültig.
[0029] Die Erfindung soll anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert werden, ohne sie auf diese Beispiele zu beschränken.
Ausführungsbeispiele
Beispiel 1: Der Hsp90-Inhibitor 17- AAG zeigt bis zu einer Konzentration von 1OnM keine Zyto-Toxizität in CEM-Zellen.
[0030] CD4+-T-lymphatische Zellen (CEM-Zellen) wurden in einer 96-well-Platte in einer Dichte von IxIO4 Zellen je lOOμl ausgesät. Zum Medium (siehe Beispiel 4a) wurden zuvor entsprechende Mengen 17-AAG gegeben, um Endkonzentrationen von lμM; 10OnM; 1OnM; InM; 0.InM und 0.0 InM 17-AAG zu erreichen. Nach 30-stündiger Inkubation bei 37°C und
5% CO2 wurden 10μl AlamarBlue™ (Invitrogen) zugegeben und alle Ansätze für weitere 4 Stunden bei 37°C inkubiert. Das Maß für die Vitalität der CEM-Zellen (angegeben in MTT CEM) unter 17-AAG Einfluss konnte durch die Messung des Farbumschlages des Mediums mittels Fluoreszenzmessung bei 530/590nm bestimmt werden. Alle Ansätze erfolgten in Triplikat.
Beispiel 2: pNLenvl-transfizierte HeLaSSό-Zellen zeigen unter 17-AAG-Einfluß in der Virusfraktion eine verminderte Gag-Prozessierung und eine verstärkte Hsp70-Expression in der Zellfraktion.
[0031] Zur biochemischen Analyse des Einflusses von 17-AAG auf die Kinetik der Gag- Prozessierung und Virusfreisetzung wurden Zeitkinetiken durchgeführt. Die experimentellen Details der Kultivierung, Transfektion, Medienwechsel und der Zeitkinetik sind in Beispiel 4a/b angegeben. Hierzu wurden Kulturen von HeLaSSό-Zellen eingesetzt, welche mit pNLenvl (Schubert et al, 1995) transfiziert wurden. Nach Inkubation in 17-AAG-haltigem Medium (10OnM 17- AAG), bzw. Inhibitor- freiem Medium, wurde die Kinetik nach distinkten Waschschritten und Aliquotierung der Ansätze begonnen. Aliquote Zellkulturen wurden zu jedem Zeitpunkt gewonnen und durch Zentrifugation in Zell-, Virus- und Zellkulturüberstand- Fraktionen aufgetrennt. Die HIV-Proteine wurden im SDS-PAGE aufgetrennt, auf PVDF- Membran transferiert und anschließend durch Antikörper- vermittelte Chemo luminiszenz auf Röntgenfilmen sichtbar gemacht.
Beispiel 3: 17-AAG, als auch die Kombination mit PS341, hemmt die Virusreplikation von X4-trophen HI-Viren im HLAC-Modell.
[0032] Humane Tonsillen wurden mazeriert und in 96-well Platten überführt. Nach eintägiger Inkubation wurden die Zellen mit X4-trophen HI-Viren infiziert, mit den entsprechenden Inhibitoren versetzt und tags darauf gewaschen. Diese Schritte, wie auch die Folgenden, sind unter Beispiel 4c-d im Detail beschrieben. Zu jedem Kinetikpunkt wurden 150μl des Mediums entfernt und bei -8O0C zur RT-Messung aufbewahrt. Das wieder zugegeben Medium enthielt die für den speziellen Ansatz nötigen Konzentrationen an Inhibitoren.
[0033] Nach 15 Tagen wurde der Anteil funktioneller gebildeter HI -Viren mittels RT-Assays (siehe Beispiel 4e) aus den aufbewahrten Überständen ermittelt.
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Beispiel 4: Material und Methoden
Beispiel 4a: Zellkultur
[0034] CEM-Zellen wurden in RPMI 1640 mit 10% (V /V) fötalem Kälberserum, 2 mM L- Glutamin, 100 U ml-1 Penicillin und 100 μg ml-1 Streptomycin kultiviert.
[0035] Heia-Zellen (ATCC CCL2) wurden in Dulbeccos' modifizierten Eagle's Medium (DMEM) mit 10% fötalem Kälberserum, 2 mM L-Glutamin, 100 U ml-1 Penicillin, und 100 μg/ml Streptomycin kultiviert.
[0036] Tonsilläre Zellen wurden in RPMI 1640 mit 15% (V /V) fötalem Kälberserum, 2 mM L- Glutamin, 100 U ml-1 Penicillin, 100 μg ml-1 Streptomycin, 2.5 μg/ml Fungizone, ImM Sodiumpyrovate, 1% MEM Non-Essential Aminosäure-Lösung und 50μg/ml Gentanamycin kultiviert („Tonsillenmedium").
Beispiel 4b: Transfektion, Medienwechsel und Kinetik [0037] Heia-Zellen (ATCC CCL2) wurden mittels pNLΔenv-Lipofectamine2000 Gemisch in OPTI-MEM transfiziert. Nach 8-stündiger Inkubation in 37°C und 5% CO2 wurde ein Medienwechsel vollzogen. Bei einem der beiden Ansätze wurde dem Medium eine Endkonzentration von 10OnM 17-AAG zugegeben und für weitere 16 Stunden inkubiert. Nach distinkten Waschschritten in PBS wurden die entsprechenden Zeitpunkte aliquotiert. Zu den entsprechenden Zeitpunkten wurden die Zellen durch Zentrifugation (5min; 5000rpm) vom Überstand getrennt und später mittels CHAPS/DOC-Lyse (3min auf Eis) lysiert. Die VLP's im Überstand wurden über ein 20%-iges Sucrose-Kissen pelletiert (90min; 14000rpm), und wie auch die Lysate der Zellpellets mittels 10%-iger SDS-PAGE aufgetrennt, per Nass-Blot auf PVDF-Membran überführt und in 10%-igem Milchpulver (in PBS-Tween 0.1%) geblockt. Die Detektion der HIV- bzw. Zeil-spezifischen Proteine erfolgte über spezifische Antikörper (gegen Hsp70; Hsp90; p24; PR55; ß-Aktin). Durch die Reaktion mit Sekundärantikörpern und deren gekoppelter Chemo luminiszenz konnten die Signale auf Röntgenfilmen detektiert werden.
Beispiel 4c: Transfektion und Gewinnung von Virusstocks
[0038] Für die Herstellung von Virus-Präparaten wurde Plasmid-DNA von molekularer HIV- 1-DNA unter Anwendung der Kalzium-Phosphat-Präzipitationsmethode in HeLa-Zellen transfiziert. Dazu wurden konfluente Kulturen von Heia-Zellen (5xlO6 Zellen) mit 25-μg Plasmid DNA in Kalziumphosphat-Kristallen, hergestellt nach einer Methode von Graham und
van der Eb (1973), inkubiert und anschließend einem Glycerol-Schock nach Gorman et al. (1982) unterzogen. Für die Gewinnung von konzentrierten Viruspräparaten wurden zwei Tage nach Transfektion die Zellkulturüberstände geerntet. Anschließend wurden die Zellen sowie deren Bestandteile durch Zentrifugation (1,000 x g, 5 min, 4oC) und Filtration (0.45 μm Porengröße) abgetrennt. Viruspartikel wurden durch Ultra-Zentrifugation (Beckman SW55 Rotor, 1.5 hr, 35,000 rpm, 10oC) pelletiert und nachfolgend in 1 ml of DMEM Medium resuspendiert. Die Viruspräparate wurden durch Filtration sterilisiert (0.45 μm Porengröße) und portioniert eingefroren (-800C). Einzelne Viruspräparate wurden durch Bestimmung der Reverse Transkriptase- Aktivität, und zwar anhand eines bereits beschriebenen Tests (Willey et al, 1988), unter Verwendung von [32P]-TTP Einbau in ein oligo(dT)-poly(A) Template standardisiert.
Beispiel 4d: HLAC-Modell (Gewinnung; Infektion; Kinetik)
[0039] Das Tonsillengewebe wurde in PBS gewaschen, mittels Skalpells von Blutgerinseln gesäubert und in l-2mm große Stücke zerteilt. Einzelne Zellen wurden durch mechanische Pressung durch ein Filternetz erzielt. Nach erfolgter Zentrifugation der vereinzelten Zellen (5min, 1200rpm) wurden die Zellen gezählt, in 96-well-Platten ausgesät und über Nacht bei 37°C und 5% CO2 inkubiert. Die Infektion der Zellen erfolgte durch Zugabe von 10ng X4- tropher HIV-Stocks bei gleichzeitiger Applikation der entsprechenden Inhibitorkonzentrationen. Am folgenden Tag wurden 50μl Überstand entnommen („1dpi") und bei -800C aufbewahrt. Die Zellen wurden daraufhin zentrifugiert (5min; 1200rpm) und weitere 50μl Überstand entfernt. Nach Resuspension der Zellen in lOOμl Tonsillenmediums wurde dieser Waschschritt zweifach wiederholt. Nach Zugabe von Tonsillen-Medium mit den entsprechenden Inhibitorkonzentrationen wurden die Zellen erneut bei 37°C und 5%CO2 inkubiert. An den Tagen 3, 6, 9 und 12 wurden 150μl Medium entnommen, bei -800C aufbewahrt und 150μl Medium mit den entsprechenden Inhibitorkonzentrationen zugegeben. An Tag 15 wurden lediglich 150μl Überstand abgenommen, bei -800C aufbewahrt und die Zellen danach entsorgt.
Beispiel 4e: RT-Assay
[0040] Die bei -800C aufbewahrten Tonsillenüberstände wurden durch Bestimmung der Reverse Transkriptase-Aktivität, und zwar anhand eines bereits beschriebenen Tests (Willey et al, 1988), unter Verwendung von [32P]-TTP Einbau in ein oligo(dT)-poly(A) Template, ermittelt.
Legende zu den Figuren
Figur 1:
[0041] Der Hsp90-Inhibitor 17-AAG zeigt bis zu einer Konzentration von 1OnM keine Zyto- Toxizität in CEM-Zellen. CD4+-T-lymphatische Zellen (CEM-Zellen) wurden mit verschiedenen Konzentrationen 17-AAG inkubiert und der zeitabhängige Farbumschlag, gleichbedeutend mit der Anzahl lebender Zellen, nach AlamarBlue™ (Invitrogen)-Zugabe mittels Fluoreszenzmessung ermittelt.
Figur 2:
[0042] HeLaSSό-Zellen transfϊziert mit subgenomischem HIV-I Expressionsvektor pNLenvl zeigen unter 17-AAG-Einfluß in der Virusfraktion eine verminderte Gag-Prozessierung und eine verstärkte Hsp70-Expression in der Zellfraktion.
Figur 3:
[0043] Antiviraler Effekt von 17-AAG allein, als auch in Kombination mit dem Proteasom- Inhibitor PS341, gegen X4-trophe HI-Viren im HLAC-Modell, dargestellt anhand der RT- Daten der jeweiligen Kinetikpunkte zweier unterschiedlicher Tonsillen (A und B). [0044] Die Virusreplikation des X4-trophen HI-Viruses konnte in Tonsille A (A) weder durch Inkubation mit InM Proteasom-Inhibitor PS341, InM 17-AAG noch mittels 1OnM 17-AAG deutlich beeinflusst werden. Erst die Kombination beider Substanzen (5nM PS341 und InM 17-AAG) erreichte eine deutliche Abnahme der Virusreplikation. Hierbei zeigte sich, dass dieser additive Effekt bei Applikation beider Substanzen durch eine höhere Konzentration des Hsp90-Inhibitors 17-AAG (1OnM) noch verstärkt werden konnte. Die Tonsille B (B) zeigte ebenfalls keine Beeinflussung der X4-trophen HIV-Replikation bei Inkubation mit InM PS341 oder InM 17-AAG. Im Gegensatz zu Tonsille A konnte bei Tonsille B bereits bei Zugabe von 1OnM 17- AAG ein deutliche Reduktion der Virusreplikation nachgewiesen werden. Bei jeglicher Kombination zwischen Proteasom-Inhibitor PS341 mit Hsp90-Inhibitor 17-AAG konnte keinerlei Virusreplikation mehr nachgewiesen werden.